PANZERDIVISION ÜBERROLLT WETZIKON
Die schwedischen Schwarzmetall-Pioniere Marduk touren zurzeit quer durch Europa und zelebrieren dabei stolze 30 Jahre voller Zerstörungswut und arroganter Attitüde. Am Samstagabend passierten die unaufhaltsamen Kriegsfahrzeuge das Zürcher Oberland und bezogen letztendlich im Wetziker Hall Of Fame-Club Stellung. Dort wurde dann ununterbrochen aus allen Rohren gefeuert, wodurch man sämtliche, feindliche Einheiten erfolgreich niedermähen konnte.
Seit dem Black Hole Fest II ist mittlerweile ein guter Monat vergangen, doch die Organisatoren denken keinesfalls daran, lediglich auf der faulen Haut zu liegen und sich an den bisher erreichten Lobeshymnen zu ergötzen. Nix da! Die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Hall Of Fame wird aus nachvollziehbaren Gründen munter fortgesetzt. Zahlreiche weitere Kapellen aus den düsteren Genre-Gebieten sollen auf die Bühne der «Ruhmeshalle» gelockt werden. Inzwischen müssten sowieso alle Renovationsarbeiten an der Aussenseite und im Innern des Gebäudes, welche nach der fulminanten Show von Dark Funeral angefallen sind, abgeschlossen sein. Also gerade rechtzeitig, um den nächsten Härtetest über sich ergehen zu lassen.
Dass Marduk einen ähnlich dominanten Auftritt wie ihre Landsleute abliefern werden, steht grundsätzliche ausser Frage. Schwache oder lahmarschige Leistungen sucht man vergeblich in den Bewertungsbögen des Vierers. Ein kleiner Exkurs sei an dieser Stelle trotzdem gestattet: Falls ihr auf der Jagd nach Autogrammen der Musiker seid, ist Hartnäckigkeit gefragt. Am Party.San Open Air 2017 grunzte uns ein gewisser Mortuus zuerst nämlich bloss ein herablassendes «What do you want?!» entgegen, ehe er seine Signatur auf dem Schriftstück platzierte. Somit lautet die Moral von der Geschicht’: Lasst euch von diesen mürrischen Gestalten nicht aus dem Konzept bringen oder verängstigen.
Unterzeichnete Erinnerungsstücke sind mir am heutigen Abend allerdings nicht sonderlich wichtig. Meine Vorfreude gilt eher der bevorstehenden Dosis Live-Musik (in vierfacher Ausführung!). Korrekt, der Headliner agiert gemeinsam mit einer kleinen Delegation Hilfstruppen. [Eyoth] und Doodswens fallen für meine Wenigkeit dabei in die Kategorie der Horizonterweiterung. Stattdessen sind mir die in Stockholm angesiedelten Valkyrja ein Begriff. Die finsteren Recken waren auch schon auf vergangenen Marduk-Touren mit von der Partie oder an der Erstausgabe des Black Hole-Festivals zu Gast. Na dann, bitte einmal an der Bar auftanken (wir haben unsere Verzehrkarten schliesslich nicht als Deko-Artikel gekauft) und anschliessend ab zum Absperrgitter stolzieren. Die bedauerlicherweise noch lichten Publikumsreihen ermöglichen ein problemloses Durchmarschieren.
Eyoth
Gruppe Nummer eins war früher unter dem Namen Syn Metalium unterwegs. Doch neuerdings nennen sich unsere Kollegen aus der Romandie [Eyoth]. Sowohl vom Sound her als auch in Sachen Outfits muss ich beim Sextett unweigerlich an Finntroll denken. Da turnt ein bunt gemischter Haufen auf der «Spielwiese» herum. Wir blicken unter anderem auf einen Steampunk-Sänger mit kultiger Sonnenbrille, einen 80er-Jahre Klampfer, einen Basser, der eine Kreuzung aus Anime-Figur und Mönch darstellt und eine Art Pilot an der zweiten Saitenkönigin. Des Weiteren bringt ein Mädel am Tasteninstrument ausreichend Melodie ins Spiel. Respekt, dass sie trotz elegantem Schuhwerk einen solch sicheren Stand aufweist. Einzig beim Kameraden hinter der Schiessbude kann ich keine Auffälligkeiten ausmachen.
Der vorgetragene Blackened Pagan Metal dürfte im heutigen Line-Up vermutlich die Exotenrolle einnehmen. Zu Beginn sind wir (auch wegen der nicht komplett optimalen Abmischung) zwar noch kritisch, aber mit fortschreitenden Zeigerumdrehungen entfaltet die präsentierte Party immer mehr ihre Wirkung. Selbst kleinere Tanzeinlagen liegen locker drin. Das macht unfassbar Laune! Mit einem solch frühen Highlight hätten wohl die wenigsten Besucher gerechnet. «Merci mes amis!» [Eyoth] sind ein weiterer Beweis dafür, dass man Support-Acts stets eine Chance geben sollte. Lediglich bei den Ansagen des Frontmanns tauchen gewisse Rätsel auf. Befinden wir uns jetzt in Wetzikon, in Mexiko oder im Lexikon? Eindeutig ein Fall für das Team von «Galileo Mystery».
Doodswens
Auf Deutsch übersetzt bedeutet das holländische Wort Doodswens – sofern meine Helfer-Tools das korrekt herausgespuckt haben – ungefähr so viel wie «Todeswunsch». Gemessen an den nun aus den Boxen ertönenden Klängen müsste das fraglos stimmen. Eine gedrückte, depressive Stimmung macht sich im Saal bereit. Diese schleppende Angelegenheit mag freilich eine einlullende Wirkung haben, aber mich persönlich lässt die Performance nicht wirklich aus den Latschen kippen. Erst im zweiten Abschnitt werde ich langsam warm damit. Könnte daran liegen, dass es sich im Vergleich mit [Eyoth] schon um einen ziemlichen Stilbruch handelt.
Müsste das normalerweise nicht einfach ein Damen-Duo sein? Zumindest stand das so in der Event-Beschreibung. Die in diesen Augenblicken agierende Live-Besetzung besteht jedoch aus zwei Herren und einem Mädel (sofern dies in diesem dauerroten Scheinwerferlicht überhaupt erkennbar ist). Das würde bedeuten, dass es ich bei der Felle-Klopferin um Inge van der Zon handelt. Die Band wird erst Anfang Dezember dieses Jahres ihren Debütstreich «Lichtvrees» veröffentlichen. Mal schauen, wohin die Reise für diese sicherlich nicht untalentierten Schwarzmetaller führen wird.
Valkyrja
Der nächsten Equipe dürfte die hiesige Spielstätte effektiv vertraut vorkommen. Schliesslich standen die Schweden schon einmal Ende September des vergangenen Jahres im Rahmen des ersten Black Hole Fests auf dieser Bühne. Bei vergangenen Gigs wollte der letzte Funke bei mir nie herüberspringen (siehe Review). Dies ändert sich bei der jetzigen Begegnung schlagartig! Keine Ahnung, was die Jungs gefuttert oder getrunken haben, aber heute ist zweifelsohne jede Menge Sprit im Tank. Die Maschinerie arbeitet auf Hochtouren! Am Lichtpult scheint man nun die blauen Linsen entdeckt zu haben. Alles andere als ideale Bedingungen für die knipsende Garde. Trotzdem traue ich erfahrenen Recken wie Gorka (Gorka Photography) garantiert ein paar verwendbare Schnappschüsse zu.
Walküren figurieren in der nordischen Mythologie als weibliche Sagengestalten, welche die in der Schlacht ehrenvoll gefallenen Krieger in die goldene Halle («Valhalla») bringen. Daran sind die vier Herren aus Stockholm kaum interessiert. Sie bevorzugen die Beschallung des Publikums mit aggressiven Blastbeat-Salven und fiesem Gekrächze. Dies geschieht in beeindruckender Manier! Den anschliessenden Abstecher zur Merch-Ecke kann ich mit gutem Gewissen einplanen. Denn wie ihr wisst, kann man niemals zu wenig Band-Shirts haben (nur zu kleine Kleiderschränke…).
Marduk
Gegen 22.10 Uhr ruhen sämtliche Augen (und Gehörgänge) auf dem Headliner. Von nun an gilt ausschliesslich der Kultspruch: «Nur Marduk, verdammte Scheisse!» Seit über drei Dekaden machen Mortuus und seine Haudegen die Welt zu ihrer persönlichen Panzerpiste. Von lautstarkem Sirenengeheul begleitet startet das Quartett mit «Werwolf» in sein Set. Sucht euch lieber eine exzellente Deckung, denn diese Bomben- und Granateneinschläge hinterlassen grausame Spuren der Verwüstung. Für Unwissende stehen die Überlebenschancen schlecht.
Passend zum Motto dieser Tour steht jedoch längst nicht bloss die aktuelle Scheibe «Viktoria» im Fokus. Die Herrschaften greifen auf zwei Drittel ihrer Diskographie zurück. Aus diesem Grund kann sich die Anhängerschaft ebenfalls an älterem Liedgut wie «Those Of The Unlight» oder «The Funeral Seemed to Be Endless» ergötzen. Allerdings kommen auch populäre Geschichten à la «Frontschwein» zum Handkuss. Dazwischen folgen Mortuus’ Ansagen, die einem aufgrund seines tiefen Stimmorgans direkt unter die Haut gehen. Die mittlerweile deutlich zahlreicher vorhandene Zuschauerschar lässt – beflügelt von dieser schwedischen Machtdemonstration – unermüdlich die Haare kreisen. Marduk stampfen die Hütte wahrlich in Grund und Boden! Aber von einem Veteranen-Panzer habe ich logischerweise nix anderes erwartet.
Beim grundsätzlich rundum perfekten Auftritt treten erst in der Schlussphase kurzzeitige Probleme auf. Das Spielgerät von Bassist Lindholm will nicht mehr so richtig. Glücklicherweise kann der souverän reagierende Roadie Schwierigkeiten schnell und effizient ausmerzen. Nach «Wolves» gönnen die Fans dem Vierer (noch) keinen Feierabend. Lautstarke Zugabe-Rufe sind zu vernehmen. Dieser Effort ist auch zwingend nötig, denn bei einem zu stillen Publikum weiss man nie, ob die arroganten Black Metaller den Klischees gerecht werden und ihren Auftritt urplötzlich kommentarlos abbrechen. Das ist heute – den Göttern sei Dank – kein Thema! Wetzikon kommt in den Genuss des All Inclusive-Pakets und wird mit dem vernichtenden Doppelschlag «Christraping Black Metal» und «Panzer Division Marduk» in die kalte Nacht entlassen. Vor der definitiven Heimreise folgt aber noch der inzwischen fast schon zur Tradition gewordene Jägermeister-Trunk mit Hall Of Fame-Boss Pasquale.
Das Fanzit – Marduk, Valkyrja, Doodswens, [Eyoth]
Ausser Doodswens konnten mich heute Abend alle Truppen restlos überzeugen. Die Hütte war gut besucht, aber das Prädikat «rappelvoll» wurde dieses Mal trotzdem nicht erreicht. Sonst hat allerdings alles gepasst. Es war sozusagen der gewohnte Hall Of Fame-Service und Standard.
Die Zusammenarbeit mit der Black Hole Agency wird auch im nächsten Jahr fortgesetzt. Deshalb könnt ihr euch 2022 auf weitere Höhepunkte aus der düsteren Metal-Ecke in Wetzikon freuen. Bisher bestätigt sind unter anderem Tormentor, Mgła, Black Hole Fest III, Uada und Winterfylleth. Da reibt sich die teuflische Seele zufrieden die Hände.